So entkommst du der People-Pleasing-Falle!
Du sagst zu allem ja, hilfst immer und das sogar ungefragt? Nein sagen fällt dir dagegen richtig schwer und du hast Angst, dass andere dir ihre Wertschätzung und Zuneigung entziehen könnten, wenn du es ihnen nicht recht machst?
Möglicherweise bist du eine Person, auf die der Begriff „People Pleaser“ zutrifft. Das muss nicht für immer so bleiben! Hier erfährst du, wie du dich auf authentische und gesunde Art abgrenzt, zu dir und deinen Bedürfnissen stehst und trotzdem – oder gerade deswegen – von anderen weiterhin gemocht wirst.
In jedem steckt ein kleiner People Pleaser
Wir Menschen sind soziale Wesen und damit von anderen in einem gewissen Maß abhängig. Diese Vorstellung mag nicht jedem behagen. Aber wer kann wirklich ganz alleine überleben? Zum einen brauchen wir praktische und/oder finanzielle Unterstützung bei der Bewältigung des Alltags, insbesondere in Krisenzeiten. Zum anderen sind es aber auch emotionale Unterstützung, Nähe und Liebe, die wir von anderen Menschen erhalten und die wir zum Überleben brauchen.
Kein Wunder also, dass es uns wichtig ist, dass andere uns mögen. Wenn wir uns völlig verlassen und einsam fühlen, werden existenzielle Ängste getriggert. Somit hat jeder von uns eine natürliche Tendenz dazu, sich mit anderen gutzustellen und harmonische Beziehungen aufzubauen. Problematisch wird es allerdings, wenn der Wunsch nach Gefallen und Harmonie zur regelrechten Harmoniesucht wird. Denn People Pleasing verursacht nachgewiesenermaßen psychischen Stress, wie eine australische Studie herausfand.
Was hilft bei People Pleasing?
Im Video fasst Julia Pedak es für dich zusammen:
Was bedeutet „People Pleasing“?
„People Pleasing“ ist Englisch und heißt übersetzt etwa „den Menschen gefallen“. Es bezeichnet ein Verhalten, das sich durch eine übermäßige Anpassung an die Erwartungen anderer auszeichnet. People Pleaser streben danach, akzeptiert, geliebt oder zumindest nicht abgelehnt zu werden. Um das zu erreichen, lesen sie anderen oft die Wünsche von den Augen ab – ignorieren dafür aber ihre eigenen Bedürfnisse.
Vielfach befürchten People Pleaser, dass ihre Entscheidungen oder ihre Meinung zu Konflikten führen könnten, wenn diese anderen Menschen missfallen. Daher versuchen sie, solche Meinungsverschiedenheiten zu vermeiden, was im Extremfall zur Selbstverleugnung und Unterwerfung führen kann.
Beispiele für People Pleasing
Folgende anonymisierten* Beispiele aus meiner Beratung geben dir Orientierung, wie sich People Pleaser verhalten und in welchem Kontext People Pleasing auftreten kann:
People Pleasing
In diesen Situationen agieren Menschen häufig als People Pleaser

* Alle Namen in den obigen Beispielen wurden aus Anonymitätsgründen geändert.
Warum sind nicht alle Menschen People Pleaser?
Die Ursprünge von People Pleasing liegen vermutlich in früheren ungünstigen Bindungserfahrungen, zum Teil – aber nicht nur – auch in der Kindheit. Menschen, die sich z.B. in ihrer frühen Entwicklung stark an die Erwartungen von Eltern, Lehrern oder anderen Autoritäten anpassen mussten, entwickeln oft People Pleasing als Überlebensstrategie: Wenn sie brav und artig waren, gab es Zuneigung, Anerkennung und Fürsorge oder zumindest nicht das Gegenteil.
Solche Erfahrungen können sich auch durch Partnerschaften oder Jobs bilden, in denen ein stark hierarchisch-patriarchales System vorherrscht. Hierbei spielen auch unsere Sozialisation und Kultur eine große Rolle: Oft wird vor allem von Frauen erwartet, dass sie freundlich, nachgiebig und hilfsbereit sind. Auf jeden Fall würden sich laut einer Umfrage von YouGov mehr Frauen als People Pleaser bezeichnen als Männer dies tun würden. Dass solche Normen das People-Pleasing-Verhalten zusätzlich verstärken können, legt auch Spektrum mit Verweis auf Studien nahe.
Umfrage von YouGov:
Würden Sie sich selbst als „People Pleaser“ bezeichnen?
Wurde People Pleasing lange genug als erfolgreiche Lösungsstrategie angewandt, kann sich dieses Verhalten wie eine Art Automatismus verselbstständigen: Auch wenn es die Situation heute nicht mehr erfordert, tendieren Menschen mit der entsprechenden Vorerfahrung weiterhin zum People Pleasing – und empfinden dies dann zunehmend als Belastung. Die gute Nachricht: Verhalten, das erlernt wurde, kann man auch wieder umlernen!
Bist du ein People Pleaser? Mach den Test!
10 Typische Merkmale von People Pleasing
People Pleasing ist ein Verhaltensmuster, das sich durch bestimmte erlernte Verhaltensweisen auszeichnet. Charakteristische Merkmale sind:
Typisch für People Pleaser:

Bist du ein Perfektionist?
Viele People Pleaser haben über Jahre hinweg erfahren, dass sie nur gemocht werden, wenn sie die Erwartungen anderer erfüllen. Daher neigen sie neben der Tendenz zur Selbstaufopferung auch häufig zu Perfektionismus. Im Antreiber-Test kannst du herausfinden, wie stark dein Hang zum Perfektionismus ausgeprägt ist.
Die Nachteile von People Pleasing: Vom Gefallen-wollen zur Selbstausbeutung
Auf der einen Seite werden People Pleaser für ihre Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft geschätzt und bekommen dadurch die Bestätigung, die ihnen so guttut. Auf der anderen Seite bringt People Pleasing aber auch viele Nachteile mit sich:
Erschöpfung:
Das Bemühen, den Erwartungen anderer gerecht zu werden, kann sehr anstrengend werden – sowohl körperlich als auch psychisch. Denn es kostet Kraft, immer für andere da zu sein. Erholung bleibt zudem meist ebenfalls auf der Strecke. So entsteht Stress, der sich negativ auf die innere Balance und das Wohlbefinden auswirken kann. Die Fähigkeit zur Erholung und die eigene Resilienz nehmen ab, was wiederum den Stress verstärkt.
Identitätsverlust:
Wer ständig versucht, es anderen recht zu machen, verliert eventuell die eigenen Wünschen und Bedürfnissen völlig aus dem Blick und schließlich sogar den Bezug zu sich selbst. Irgendwann wissen Betroffene dann gar nicht mehr, was sie wollen oder was sie sich erlauben dürfen. Die Authentizität fehlt, die Betroffenen entfremden sich von sich selbst und die eigene Identität wird immer unklarer.
Unzufriedenheit:
Wenn sich People Pleaser immer mehr über die Anerkennung anderer definieren, fällt es ihnen schwer, ein gesundes Selbstwertgefühl zu entwickeln. Statt Selbstliebe und Selbstfürsorge entstehen Selbstausbeutung und eventuell sogar Hass auf die eigene „Unvollkommenheit“.
Gestörte Beziehungen:
Mit People Pleasing in Extremform begünstigen Betroffene Beziehungsdynamiken, die allgemein als toxisch oder narzisstisch bezeichnet werden. People Pleaser übernehmen dann den Part derjenigen, die mehr in die Beziehung investieren als sie zurückbekommen und empfinden sich als Opfer. Das kann in privaten Beziehungen passieren, aber auch in beruflichen Situationen. Umgekehrt kann das Gegenüber von People Pleasern den permanenten Einsatz auch als erdrückend oder bevormundend empfinden und sich dann zurückziehen.
Körperliche Auswirkungen:
Der anhaltende Frust und Stress kann sich auch körperlich zeigen. Schlafstörungen, Kopfschmerzen, Magenprobleme und ein geschwächtes Immunsystem sind einige Beispiele, die entstehen können. Dies sind keine direkten Symptome des People Pleasing, sondern sozusagen Symptome zweiten Grades, die infolge des stressigen Lebensstils und Verhaltens entstehen.
In 3 Schritten aus der Harmoniefalle
People Pleasing ist ein Verhalten, das Betroffene über viele Jahre trainiert haben. Mit etwas Geduld und Übung kann dieses Verhalten also auch wieder verändert werden. Wenn du dich selbst als People Pleaser bezeichnen würdest und aus diesen Mustern aussteigen willst, helfen dir die folgenden Schritte:
Raus aus der People-Pleasing-Falle
Mit diesen 3 Schritten änderst du dein Verhalten

1. Awareness schaffen
Mach dir zunächst klar, dass du die Tendenz hast, es anderen oft rechtzumachen und sie zufriedenstellen möchtest. Das ist an sich ja auch nichts Schlechtes, nur ein zu viel davon kann dir und deiner Gesundheit auf Dauer schaden.
Überlege dir nun, in welchen Situationen und bei welchen Menschen du mehr oder weniger in die People-Pleaser-Rolle schlüpfst. Dabei kannst du vielleicht auch schon erkennen, ob du zu einem der beiden People-Pleaser-Typen gehörst:
Bei den beiden Typen handelt es sich um Tendenzen. Es kann auch sein, dass manche Menschen zwischen diesen Typen je nach Situation wechseln oder nur Teile davon in unterschiedlichem Ausmaß zutage treten. Solche wechselnden Ausrichtungen von Machtgefällen sind in Beziehungen außerdem sogar normal: Manchmal ist eine Person engagierter und kümmert sich um die andere, ein anderes Mal erhält sie Unterstützung. Kritisch wird es, wenn wie bei extremen People Pleasern eine einseitige Beziehungsdynamik entsteht, die die Beteiligten als störend und belastend erleben.
2. Verhalten & Auswirkungen analysieren
Wenn du dein Verhalten reflektierst, kannst du dir im nächsten Schritt auch anschauen, welche Ergebnisse du damit letztendlich erzielst. Wirst du durch Überengagement oder Unterwürfigkeit beliebter oder erlebst weniger Zurückweisung? Und was kostet dich die ständige Anpassung auf Dauer?
In der Regel fällt die Kosten-Nutzen-Rechnung nicht so aus, dass sich ein Fortführen des People-Pleasing-Verhaltens lohnt. Logisch ist das schnell erfasst. Was einer Verhaltensänderung meist im Wege steht, sind die unbewussten und von außen betrachtet oft irrational erscheinenden Sorgen von People Pleasern. Hierauf lohnt sich ein genauerer Blick:
- Liste einmal auf, welche Befürchtungen du hast. Was könnte im schlimmsten Fall passieren, wenn du den anderen nicht mehr gefällig bist?
- Und welche Bedürfnisse stehen mit diesen Sorgen in Zusammenhang? Hast du vielleicht Angst, keine Anerkennung oder Wertschätzung zu erhalten oder allein zu sein? Schreib auch das auf!
- Versuche in der nächsten Zeit, dich selbst zu beobachten und zu entdecken, wann deine Bedürfnisse aufkommen, welche Gedanken und Befürchtungen durch deinen Kopf gehen. Du musst noch nichts verändern, es geht zunächst nur ums Beobachten.
Um sich von der People-Pleaser-Mentalität zu lösen, ist ein Perspektivwechsel notwendig, den du durch diese Überlegungen und Beobachtungen anstoßen kannst. Als nächstes geht es dann in die konkrete Umsetzung neuer Verhaltensweisen.
3. Veränderung anstoßen
Mach dir noch einmal klar, dass du für dein Leben und das Erfüllen deiner Bedürfnisse selbst Verantwortung übernehmen darfst. Indem du dich anderen unterordnest oder dich selbst für sie zurückstellst, übernimmst du mehr Verantwortung für deren Wohlbefinden und machst dich von ihnen abhängig. Das kannst du trainieren, z.B. durch folgende Tools:
Darauf-bin-ich-stolz-Tagebuch:
Notiere dir jeden Abend, was du an dem Tag gut gemacht hast und auf welche deiner Handlungen du stolz bist. Achte darauf, dass es wirklich deine eigene Leistung ist und nicht eine zufällige. Das stärkt dein Selbstwertgefühl und macht dich mit der Zeit weniger abhängig von der Wertschätzung anderer.
Nein-sagen üben:
Insbesondere wenn du anderen oft einen Gefallen machst, kann sich diese Übung für dich lohnen. Übe zunächst in für dich weniger wichtigen Situationen, etwas bewusst abzulehnen: Wenn dir jemand z.B. einen Kaugummi anbietet oder du beim Bäcker gefragt wirst, ob es noch etwas sein darf, antworte ganz bewusst „Nein, danke“. Spüre in dich, wie sich diese selbstbewusste Abgrenzung anfühlt. Wenn es gut klappt, such dir eine neue Challenge mit einer schwierigeren Situation.
Bedürfnisse aussprechen:
Übe, anderen mitzuteilen, wie es dir geht und was du gerade brauchst. Auch hier kannst du im Kleinen anfangen und z.B. zunächst aussprechen, was schon offensichtlich ist, z.B. „Ich habe Durst.“, wenn du dir etwas zum Trinken holst, oder „Ich bin müde.“, wenn du ins Bett gehst. Das fällt den meisten Betroffenen am Anfang leichter und hilft auch dabei, die eigenen Bedürfnisse überhaupt achtsam wahrzunehmen. Mit der Zeit suchst du dir dann auch hier schwierigere Situationen, z.B. warum du mit Freunden in ein anderes Café gehen möchtest als das, welches sie vorgeschlagen haben.
Diese Übungen können sich am Anfang ungewohnt oder unbequem anfühlen – das ist ganz normal. Veränderung ist ein Prozess, dem du Zeit geben darfst. Wenn du das Gefühl hast, alleine gar nicht weiterzukommen, kannst du dir professionelle Hilfe suchen, z.B. in Form von Coaching.
Nimmt People Pleasing zu?
In meiner Praxis als Coach höre ich den Begriff People Pleasing in letzter Zeit immer öfter: „Ich bin ein People Pleaser.“, „Wir sind ein Team von People Pleasern.“ Nimmt das Phänomen also zu? Jein. Da wir als Menschen in Gruppen interagieren, lernen wir von Klein auf, sozialen Regeln zu folgen. Das sichert uns das Wohlwollen unserer Mitmenschen und ist unsere Absicherung für Zeiten, in denen wir auf die Hilfe anderer angewiesen sind.
Soziale Regeln unterliegen allerdings einem Wandel: Bis weit ins 20. Jahrhundert und auch heute noch finden sich vielfach streng hierarchisch gegliederte Systeme, in denen People Pleasing kaum auffiel: In der Familie, wo Kinder den Eltern gehorchen sollen, in patriarchal geführten Unternehmen, wo Mitarbeitende dem Vorgesetzten unterstellt sind, in der Gesellschaft, wo (meist) Frauen weniger Rechte als Männer hatten bzw. noch immer haben.
Heute verschiebt sich der Fokus: Kinder und junge Erwachsene (GenZ) werden häufiger zu selbstbestimmteren Menschen erzogen, Partnerschaften setzen vermehrt auf Augenhöhe und Unternehmen versuchen sich in flachen Hierarchien. Unabhängig davon, ob diese Modelle in der Realität funktionieren, schaffen sie ein größeres Bewusstsein für Selbstbestimmung, Selbstfürsorge und Abgrenzung. Die alten Muster sitzen allerdings oft über Generationen hinweg tief in unserer Gesellschaft und in Erziehungsstilen und treffen auf dieses neue Bewusstsein. Somit gibt es nicht unbedingt mehr People Pleaser, aber mehr Awareness für People Pleasing – und das ist wiederum die Basis für Veränderungen.